Reisebericht Frau Anita Anderle

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„Schöne Dinge wachsen auch inmitten von Dornen.“ (Spruch aus Afrika)

Mein Bericht über eine Reise nach Nigeria: Am 1. August 2006 brachen dreizehn, teilweise äußerst neugierige Niederösterreicher mit unserem Reiseleiter Herrn Mag. Dr. Emeka Emeakaroha nach Nigeria auf. Unser Ziel war Umunohu im Imo State in Nigeria. Mit der Fluglinie Lufthansa, die zwar sehr tolerant ist was Übergepäck betrifft, wurden am frühen Morgen dreistündige Verhandlungen geführt, doch schließlich musste ein Teil unseres Übergepäcks zurückbleiben.

In Nigeria am Flughafen Port Harcourt angekommen, wurden wir mit kleinen Bussen abgeholt und nach etwas mehr als zwei Stunden Fahrt erreichten wir das Heimatdorf von Emeka. Wir waren nicht wenig überrascht, als wir schon bei Dunkelheit mit Tanz und Gesang begrüßt wurden. Zum ersten Mal streckten sich uns schwarze Hände entgegen und die strahlenden Augen der Kinder eroberten unsere Herzen. Unsere Unterkunft für die nächsten 15 Tage war im Haus der Familie Emeakaroha, wo wir bestens versorgt wurden. Beeindruckt waren wir von den afrikanischen Gerichten, die für uns zubereitet wurden und hervorragend schmeckten.

Emekas Großvater, Chief Leo Emeakaroha, empfängt normalerweise die Gäste aus Österreich, aber leider war er durch Krankheit verhindert und so wurden wir offiziell von Emekas Vater, Prinz Eugene Emeakaroha, begrüßt und wir durften unser Gastgeschenk, traditionelle afrikanische Kleidung, entgegennehmen. Diese Kleidung wurde von uns Weißen stolz bei verschiedenen Besuchen und natürlich auch beim Kulturtag ausgeführt.

Während unseres Aufenthaltes konnten wir uns immer wieder vom Einsatz Emekas für sein Land und für sein Volk überzeugen: ob es sich um das Brunnenprojekt im Dorf handelt, um das Schulprojekt, um das Brillenaktion, um die Notstromanlage für das Kleinseminar, um das Projekt Frauenfußball, um direkte finanzielle Unterstützung für arme Menschen, um Häuser, die für in Not geratenen Familien erbaut wurden, usw. Wir durften an der Einweihung und Eröffnung eines Hauses für eine Witwe mit 6 Kindern teilnehmen, das er von Spendengeldern errichten ließ. Besonders hervorheben möchte ich aber das Kinderpatenschaftsprojekt. Mit einem Einsatz von nur € 100,- können wir von Österreich aus ein Kind unterstützen und für dessen bessere Schulbildung sorgen. Fast jeden Tag lernten wir Kinder kennen, die bereits in den Genuss so einer Schulbildung gekommen sind. Aber das ist immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein.

Natürlich erfuhren wir durch zahlreiche Besuche auch vieles über das Leben der einfachen Dorfbewohner. Ein Großteil der Bevölkerung ist arbeitslos und findet meist nur als Tagelöhner sein Auslangen. Soziale Absicherung gibt es nicht, medizinische Versorgung ist kaum vorhanden. Ein Besuch im Dorfspital öffnete uns die Augen (keine Medikamente, kein Wasser, kein Strom). Imo State, und ich denke ganz Nigeria, hat ein riesiges Umweltproblem: es gibt keine Müllentsorgung, die wenigen Kanäle sind mit Abfall verstopft, die Abwässer fließen einfach durch die Wege und Straßen, Autowracks rosten am Straßenrand vor sich hin und werden vom Regenwald überwuchert. Zahlreiche europäische Geschäftsleute verdienen sicher gut beim Verkauf von ausgedienten Fahrzeugen aus Europa, aber haben die sich jemals Gedanken um deren Entsorgung gemacht, wenn diese Vehikel auch in Afrika ausgedient haben?

Trotz dieser erschreckenden Umstände haben wir nie Menschen getroffen, die sich beklagten, sondern Herzlichkeit, Wärme, Fröhlichkeit und Lebensfreude strahlten uns entgegen. Alle Teilnehmer unserer Reisegruppe schätzten die Besuche auf dem täglichen Markt. Alles, was man zum Leben braucht, wird angeboten, auch in kleinsten Mengen. Abgeschlossen wurde unser Einkaufsbummel mit der Heimfahrt auf einem Motorrad-Taxi. Alle Biker wurden von Emeka ausdrücklich auf eine vorsichtige Fahrweise eingeschworen, bevor sie ihre weißen Kunden transportierten. Weil alle von der Fahrt mit den Motorrädern begeistert waren, durften wir am Geburtstag von Diakon Othmar Ableidinger (ein Mitreisender) eine ganze Stunde auf den Motorrad-Taxis durch den Busch fahren – es war herrlich.

Ein weiteres bleibendes Erlebnis war die Mitfeier eines afrikanischen Gottesdienstes. Der Rhythmus der verschiedenen Schlaginstrumente nahm uns gefangen und ließ uns die Dauer der Feier (ca. 3 Stunden) einfach vergessen. Der Pfarrer der Gemeinde nützte die Predigt gleich als Unterrichtseinheit für Religion, stellte zahlreiche Fragen, die Bibel betreffend, und gab sogar Hausübungen, die am folgenden Sonntag abgefragt werden. Nach dem Gottesdienst wurden wir von mehr als hundert Kindern umringt und schließlich zum Haus der Familie Emeakaroha begleitet. Emeka hatte auch eine kleine Musikgruppe engagiert und so wurde unser Heimweg zu einer Prozession.

Einige Tage vor unserer Abreise spendete Diakon Ableidinger 10 nigerianischen Kleinkindern das Sakrament der Taufe. Nach der Feier ließen sich alle Eltern mit den Täuflingen und dem weißen Taufspender bereitwillig und stolz fotografieren.

Sicherlich war der Kulturtag ein weiterer Höhepunkt auf unserer Reise. 10 Musik- und Tanzgruppen aus verschiedenen Dörfern führten uns ihre traditionellen Tänze vor. Rhythmusgefühl, Ausdruck im Tanz und die Gestaltung der Kostüme begeisterten uns.

Der Aufbau der Geschenkestraße stellte uns vor eine besondere Aufgabe. Über 1.000 Kinder hatten sich im Hof des Anwesens von Familie Emeakaroha versammelt, um sich ein Geschenk von den Weißen abzuholen. Jedes Kind durfte mindestens mit einem Kugelschreiber, einem Bleistift und einem Luftballon den Hof verlassen. Die bittenden Augen der Kinder werde ich nie vergessen, ich bin aber dankbar dafür sie gesehen zu haben.

Am Ende meines Berichtes möchte ich Emeka für die Organisation der Reise, für die Bemühungen uns den Aufenthalt in seinem Land so sicher und so bunt wie nur möglich zu gestalten, herzlich danken. Emeka ist ein ausgezeichneter Diplomat, ein guter Organisator und vor allem ein Mensch mit einem großen Herzen für die Menschen in seinem Heimatland. Nigeria würde viele Emekas brauchen, um dem Land mehr Aufschwung geben zu können.

Frau Anita Anderle, Großsiegharts, September 2006