Reisebericht Brigitte Mondl

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„Der Baum und die Frucht“

Spät, erst im Mai entschlossen sich mein Mann und ich, durch Familie Mag. Jakl auf die Reise aufmerksam gemacht, mit Pfr. Mag. Dr. Emeka Emeakaroha aus Obergrafendorf in seine Heimat Nigeria nach Umunohu, Amakohia, in Imo State zu reisen. Die notwendigen Impfungen ließen sich zeitlich noch unterbringen und so stand dieser Reise nichts mehr im Weg. Unsere Gruppe bestand aus 15 Personen. Der Flug führte uns am 2. 8. 2007 über Frankfurt nach Lagos, wo wir im Kloster der Missionsschwestern OLA – Maryland übernachteten und am nächsten Tag im Inland nach Owerri, der Landeshauptstadt von Imo State, flogen. In den Tagen unseres Aufenthalts konnten wir uns immer wieder von der großen Religiosität der Menschen überzeugen. Es begann bereits für uns am Flughafen von Owerri, als die Gepäckträger, die unsere Koffer in den Autos verstaut hatten, Dr. Emeka um seinen Segen baten. Wäre dies auch in Österreich möglich? Wir waren informiert, dass wir Familienfeste miterleben werden, und so lernten wir Emekas Schwester Udochi und seinen künftigen Schwager Austin kennen, die uns vom Flughafen abholten und mit den Autos nach Umunohu brachten. Die Familie Emeakaroha nahm uns liebevoll und fürsorglich auf. Emeka organisierte perfekt und sorgte direkt rührend für einen reibungslosen Aufenthalt zu unserem Wohl. Afrikanische Mahlzeiten wurden extra und magenschonend für uns zubereitet, Chief Leo Emeakaroha, der 98-jährige Opa von Emeka, ließ uns durch seinen Sohn, Emekas Vater Prince Eugene, nigerianische Gewänder als Gastgeschenk überreichen, die wir bei festlichen Anlässen trugen.

Hochzeit – wirklich eine hohe Zeit!
Als erste heiratete die Cousine Julianna ihren Raimund. Die kirchliche Trauung mit Messe war an einem Tag, am nächsten die Hochzeitsdankmesse und am Nachmittag fand im Anwesen der Familie die traditionelle Hochzeit statt. Diese geht wie folgt vor sich: Sobald alle Hochzeitsgäste versammelt sind, zieht das Brautpaar, begleitet von den Brautjungfern und Musik, in traditionellen Gewändern feierlich ein und geht in Tanzschritten zu ihrem Platz. Dort erhält die Braut von ihren Eltern ein Glas Palmwein und mit diesem sucht sie unter den Gästen ihren Mann. Ihm überreicht sie schließlich das Glas, dieser trinkt es leer, gibt einige Geldscheine hinein und bringt es den Schwiegereltern mit der Bitte um ihren Segen. Knieend erhält das Paar den traditionellen Segen und zu diesem gehört auch, dass die Brauteltern Sand vom Boden nehmen und dem Brautpaar in die Hand geben, mit der Bitte, dass der Ertrag aus der Landwirtschaft so groß ist, dass sie ihre Kinder ernähren können. Den gleichen Segen erteilen auch die Eltern des Bräutigams. Mit auf das Paar geworfenen Geldscheinen wird von den Gästen gratuliert. So erlebten auch wir diese für uns interessante Hochzeit! Eine Woche später war die kirchliche Hochzeit von Emekas Schwester Udochi und ihrem Austin und auch die Dankmesse. Traditionell waren sie schon verheiratet. Welch ein Ereignis! Weit über 1000 Menschen feierten die hl. Messe mit. Farbenprächtig gekleidete Frauen mit ihrem eleganten, kunstvoll gebundenen Kopfschmuck. Die Hochzeitsfamilie in den vorderen Reihen, wir Weiße in den Gastgewändern, ganz integriert in die große Schar der Gläubigen. Ein exzellent klingender Kirchenchor, auf unkonventionelle Art von einer jungen Frau dirigiert, gestaltete die Messen mit vielen Liedern und Gebeten. Beim Opfergang wurden Früchte, Yams, Kerzen, Hühner und Geld in rhythmisch tanzenden, wiegenden Schritten zum Altar gebracht. Ordner wiesen den Weg und alles funktionierte reibungslos. Zum Schluss erfolgte noch eine Segnung des Brautpaares und der anwesenden Kinder. Danach verharrten Frauen lange in demütiger Haltung und stillem Gebet auf den Stufen des Altars. Wir wurden am Ende einzeln von Emeka den Messbesuchern vorgestellt. Die 3 ½-stündige Dauer wurde einem nicht bewusst! Mit Musikbegleitung verließ der Brautzug die Kirche.

Wir durften der Taufe, die Emeka seiner Nichte Chidinma Lauretta, der Tochter seines ältesten Bruders Eze, einem Rechtsanwalt, spendete, auch beiwohnen. Patinnen waren seine Schwester Chidinma und aus unserer Gruppe Margit Bauer. Darauf hatte sie sich in Österreich schon bestens vorbereitet und übernahm dieses Amt bewegt und mit großer Freude. Besuche und Gespräche beim Bischof Amatu der Diözese Okigwe in St. Peter’s Klein Seminar, beim bereits pensionierten Regens Fr. Luke Ilonu, der Emeka als Seminarist auswählte und nach St. Pölten empfahl, und bei Altbischof Anthony Ilonu in Okigwe rundeten unsere Erfahrungen mit der nigerianischen röm. kath. Kirche ab. 1/3 der Studenten entscheidet sich für den Priesterberuf! Um seine Hilfsprojekte bekannt zu machen und um auch Unterstützung zu erfahren, gab es Gespräche mit der Vizegouverneurin von Imo State, mit dem Wirtschafts- und Außenhandelsminister, dem Landtagspräsidenten, dem politischen Sprecher des Landtags und dem Tourismusabgeordneten. Emeka wurde überall wohlwollend mit unserer Gruppe empfangen. Auch war es für uns berührend zu erleben, wie 850 Kinder beim Kinderfest diszipliniert im Hof der Familie von Emeka darauf warteten, um von uns mit einem Stift, einem Kapperl oder Luftballon beschenkt zu werden und danach wieder zu Fuß den langen Heimweg anzutreten. Bei Wanderungen durch den Busch lernten wir Schulen kennen, besuchten Familien wie den Tischler, den Medizinmann, den blinden Nachbarn, die Familie, welche den Vater verlor, und den unermüdlich arbeitenden Steineklopfer im Steinbruch. Wir sahen ihre harten Lebensbedingungen und wie sie trotzdem ihren Glauben an Gott nicht verlieren. Ein Höhepunkt unseres Aufenthalts war die Ernennung von Frau Gisela Prisching aus Kapelln/NÖ zur EZINNE der Diözese Okigwe, dem zweithöchsten Titel, den die r. k. Frauenbewegung zu vergeben hat. “Ezinne“ bedeutet „gute Mutter“, „Mutter mit großem Herzen“. Im Rahmen eines Festgottesdienstes, eingekleidet in die Tracht der Frauenbewegung, gab Gisela das Versprechen ab, auch weiterhin den Menschen in Umunohu zu helfen. Sie wurde mit einem bischöflichen Dekret und Kreuz geehrt und bedankt. Und im Anschluss fand ihr zu Ehren ein Fest mit Musik und Tanz statt, bei dem auch die Gemeindevertreter ihren Dank aussprachen. 7 Tanzgruppen wirkten mit. Dieses Jahr war es bereits ihre 5. Reise nach Umunohu, Ihitte, welches ihr bereits zur 2. Heimat geworden ist. Ihr „gutes Herz“ ließ sie mit ihrer Familie und Freunden unermüdlich Projekte organisieren, um Mittel für Bedürftige aufbringen zu können. Mit diesem Geld war es bereits möglich 2 Häuser zu bauen, Bekleidung und Schulmaterial anzuschaffen, Medikamente und Brillen für Sehbehinderte zu sammeln und zu überbringen. Dabei lernte sie 2006 auch den damals 14-jährigen Emmanuel aus Umuoma kennen, der durch einen Tumor im Auge in Lebensgefahr schwebte. Nach einem halbjährigen Behördenslalom, bei dem auch ihr Vater, Herr Radlherr, für den Jungen bürgte, erreichte Gisela, dass der Junge im Spital der Barmherzigen Brüder operiert werden konnte. Sie nahm ihn danach in ihre Familie auf, brachte ihn immer wieder zu Kontrolluntersuchungen nach Wien und konnte ihn nach Monaten gerettet nach Nigeria zurückfliegen lassen. Aus Dankbarkeit für diese Tat lud uns das Dorf Umuoma zu einem Fest mit Musik, Tanz und Besuch beim örtlichen traditionellen Königspaar ein. Es wurden Colanüsse als Zeichen der Freundschaft mit einem Gebet gereicht und Dankadressen verlesen. Alle bemühten sich sehr, einen festlichen Nachmittag zu gestalten. Viel, sehr viel müsste für die Bevölkerung in Imo State noch getan werden. Sei es auf medizinischem Gebiet, durch Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten und Unterstützung für Schul- und Ausbildung. Trotz der Not der Bevölkerung sind die Menschen freundlich und auch musikbegeistert. Ein Junge spielte auf seiner Flöte so hervorragend, dass auch wir uns „anstecken“ ließen. Dieses Land wurde uns vertrauter auch durch die zutraulichen Kinder und so danken wir Emeka, dass er uns diese Begegnung zweier Kulturen ermöglichte. Mögen ihm noch viele Projekte in seiner Heimat gelingen! PRAISE THE LORD. AMEN. HALLELUJA!


Und zum Nachdenken:
Der Baum und die Frucht
Der ganze Baum von unten bis oben,
alles von der Wurzel bis zur Spitze
ist ausgerichtet auf die Frucht.
So soll es auch beim Menschen sein.
Alles in ihm, sein ganzes Wesen,
sein ganzes Tun und Lassen,
soll ausgerichtet sein auf die Frucht.
Die Frucht aber ist die Liebe.
Im Evangelium geht es nicht darum,
dass der Mensch Erfolg hat,
sondern dass der Mensch Frucht bringt.
Erfolg, den genießt man selber.
Frucht, davon leben andere.

Dass ÖstereicherInnen weiterhin für die Menschen in Imo State viel Liebe haben, dies wünsche ich uns allen von Herzen.

St. Pölten, im September 2007
Brigitte Mondl