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Mein Opa in Österreich

 

Mein Opa ist als Erwachsener getauft worden und inzwischen auch ein sehr gläubiger Mann. Er hat keine Schule besucht und kann nicht lesen und schreiben.

Grundsätzlich war er nicht dagegen, dass ich Priester werde. Er hat sich aber immer gewundert, warum ich so lange studieren musste. Als ich noch in Nigeria Philosophie studierte, fragte er mich jedes Mal nach den Ferien, wie lange es noch dauert bis ich die Messe feiern kann. Es war f ür mich immer anstrengend, ihm in meiner Muttersprache zu erklären, dass ich noch Philosophie und Theologie absolvieren muss. Darauf antwortete er immer: „Ich kann mir nicht vorstellen, was dieses lange schwierige Studium mit dem Lernen des Messelesens zu tun hat!“ Seiner Meinung nach braucht man nur Messelesen zu  lernen, um Priester zu werden.

Als ich in St. Pölten mit dem Studium fertig geworden bin und ich den Termin für die Diakonweihe im November 1998 bekommen habe, hat mein Opa sich das nicht nehmen lassen, höchstpersönlich zu meinem Fest nach Österreich einzureisen. Damals war er 88 Jahre alt und ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nie aus dem Dorf herausgekommen, um zu so einer großen Reise unterwegs zu sein. Ich persönlich hätte ihm das nie zugetraut. Aber getragen von seinem Gottvertrauen und seinem Glauben, wollte er unbedingt bei der Diakonweihe seines Enkels anwesend sein.

Es war für ihn eine extrem spannende Reise. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich ihn in Begleitung meines Onkels vom Schwechater Flughafen abgeholt habe. Nach der Begrüßung in der Empfangshalle sind wir zum Auto gegangen. Ich fuhr vorne mit dem Gepäckwagen und mein Onkel marschierte neben mir. Beim Ausgang des Flughafens öffnete sich automatisch die Türe. Mein Onkel und ich marschierten weiter, und es ist mir nicht aufgefallen, dass Opa stehen geblieben ist. Nach fast 100 Meter ist uns bewusst geworden, dass Opa nicht mehr hinter uns war. Wir rannten zurück zum Eingang und bemerkten ihn. Er sah so aus, als ob er irgendetwas suchte. Als ich ihn fragte: „Opa, was machst du da?“, erklärte er mir, dass er nur danach geschaut hat, wer für uns die Türe aufgemacht hat. Er wollte sich bei ihm bedanken, wie es in unserer Kultur normal ist. Da lachte ich und versuchte, ihm auf Igbo zu erklären, dass die Tür am Flughafen einfach so automatisch gesteuert ist, dass kein Türhüter erforderlich ist.

Wir waren mit dem Auto nach St. Pölten auf der A1 unterwegs. Als wir durch den Wienerwald fuhren, schaute mein Opa nach links und rechts und sagte: „Das hätte ich mir nie gedacht!“ „Was denn?“, fragte ich ihn. „Dass es hier auch so große Buschgebiete gibt, das hätte ich mir nie gedacht!“, wiederholte er. Ich musste wirklich lachen. Teilweise konnte ich meinen Opa auch verstehen, da man in meinem Heimatdorf in Nigeria eine andere Vorstellung über das Land des „Weißen Mannes“ (Europa) hat.

Ich fragte meinen Opa, wie er die Flugreise empfunden hat. Er erzählte mir voller Begeisterung von seinen Erfahrungen unterwegs. Aber auf einmal sagte er mir: „Es gibt doch etwas, was ich nicht verstehen kann!“ „Was denn?“, fragte ich ihn. „Ich bin wirklich sehr überrascht, dass es auch schlechte Straßen da oben gibt!“ Es war nämlich so, dass das Flugzeug über der Sahara einige Luftlöcher erwischt hat, wo es dann angeblich richtig gezittert hat. Dieses Erlebnis ist meinem Opa durch die vielen Löcher in den Straßen bei uns vertraut. Darum verstand er die Luftlöcher als schlechte Straßen und wunderte sich, dass solche Straßen da oben in der Luft existieren.

Die Feier der Diakonweihe war für meinen Opa ein großes Erlebnis, und er ist insgesamt etwa drei Wochen lang in Österreich geblieben. Zurück in Nigeria hat das Dorf eine große Empfangsfeier für Opa organisiert. Da lachten die Leute teilweise Tränen, als Opa seine ganzen Erlebnisse in Österreich in meiner Muttersprache erzählte.